Es war einmal ein König, dessen Name in Vergessenheit geraten ist. Er hatte keine Söhne, sondern nur eine einzige Tochter, die stets krank war, und kein Arzt konnte sie heilen. Eines Tages wurde dem König prophezeit, dass seine Tochter sich an Äpfeln gesundessen würde. Daraufhin ließ er im ganzen Land verkünden: Wer seiner Tochter Äpfel bringe, die sie gesund machen könnten, der dürfe sie zur Frau nehmen und würde obendrein König werden.
Ein Bauer hörte von diesem Erlass und hatte drei Söhne. Er sprach zum ältesten: "Geh auf den Speicher, nimm einen Handkorb voller der schönsten Äpfel mit roten Backen und bring sie zum Königshof; vielleicht kann sich die Königstochter daran gesundessen, und dann darfst du sie heiraten und wirst König." Der Sohn folgte dem Rat und machte sich auf den Weg. Nach einer Weile begegnete er einem kleinen eisgrauen Männlein, das ihn fragte, was er in seinem Korb habe. Ulrich, so hieß der Sohn, antwortete: "Froschschenkel." Das Männlein erwiderte: "Nun, so sollen's welche sein und bleiben," und ging weiter.
Schließlich erreichte Ulrich das Schloss und ließ sich anmelden. Er erklärte, er habe Äpfel, die die Tochter gesund machen würden, wenn sie davon äße. Der König freute sich sehr und ließ Ulrich zu sich rufen. Doch als er den Korb öffnete, fand er statt Äpfeln nur zappelnde Froschschenkel. Daraufhin wurde der König wütend und ließ ihn aus dem Schloss jagen. Zu Hause erzählte Ulrich seinem Vater von seinem Missgeschick.
Daraufhin schickte der Vater den nächstältesten Sohn, Samuel, doch ihm erging es nicht besser. Auch er begegnete dem kleinen Männlein und antwortete auf die Frage nach dem Inhalt seines Korbes: "Schweinsborsten." Das Männlein sagte: "Nun, so sollen's welche sein und bleiben." Als Samuel schließlich vor dem König stand und behauptete, Äpfel zu haben, glaubten die Wachen ihm nicht, da bereits jemand zuvor gekommen war und sie zum Narren gehalten hatte. Samuel bestand jedoch darauf, dass er tatsächlich Äpfel habe, und schließlich ließen sie ihn ein. Doch auch bei ihm fanden sich nur Schweinsborsten im Korb, was den König so wütend machte, dass er Samuel aus dem Schloss peitschen ließ.
Nun kam der jüngste Sohn, der nur der dumme Hans genannt wurde, und fragte den Vater, ob er auch mit Äpfeln gehen dürfe. "Ja," sagte der Vater, "du bist der Richtige dafür. Wenn die Gescheiten nichts ausrichten, was willst du dann ausrichten?" Doch Hans ließ nicht locker: "Ja, Vater, ich will auch gehen." Der Vater wies ihn ab: "Geh mir doch weg, du dummer Kerl. Warte, bis du gescheiter wirst." Aber Hans zupfte am Kittel: "Vater, ich will auch gehen!" Schließlich gab der Vater nach und sagte grantig: "Nun, meinetwegen, geh! Du wirst wohl wieder zurückkommen." Hans freute sich und machte einen Luftsprung. "Tu jetzt nicht wie ein Narr: Du wirst von Tag zu Tag immer dümmer," warnte der Vater, doch das kümmerte Hans nicht.
Als es Nacht wurde, konnte Hans nicht schlafen. Er träumte von schönen Jungfrauen, Schlössern, Gold und Silber. Am Morgen machte er sich auf den Weg und begegnete einem kleinen mürrischen Männchen in eisgrauem Gewand, das ihn fragte, was er in seinem Korb habe. Hans antwortete, er habe Äpfel, an denen sich die Königstochter gesundessen sollte. "Nun," sagte das Männlein, "so sollen's solche sein und bleiben."
Am Hofe wollte man Hans jedoch nicht einlassen, da bereits zwei andere dagewesen waren und behauptet hatten, Äpfel zu bringen, und nur Froschschenkel und Schweinsborsten im Korb hatten. Hans ließ sich jedoch nicht abweisen und erklärte, er habe gewiss keine Froschschenkel, sondern die schönsten Äpfel des ganzen Königreichs. Der Torwächter, überzeugt von Hans' Entschlossenheit, ließ ihn ein und hatte damit recht, denn als Hans seinen Korb vor dem König öffnete, lagen goldgelbe Äpfel darin. Der König war überaus erfreut und ließ seiner Tochter sofort davon bringen. Er wartete in banger Erwartung auf den Bericht über die Wirkung der Äpfel.
Nicht lange danach kam die Nachricht: Die Tochter war gesund! Der König konnte seine Freude kaum fassen, doch nun wollte er seine Tochter Hans nicht zur Frau geben. Er stellte die Bedingung, dass Hans erst einen Nachen machen müsse, der auf dem trockenen Land besser ginge als im Wasser. Hans nahm die Herausforderung an und ging nach Hause, um seinem Vater zu berichten.
Der Vater schickte Ulrich in den Wald, um einen solchen Nachen zu bauen. Ulrich arbeitete fleißig, doch als er am Abend sein Werk betrachtete, stellte er fest, dass er nur Waschtröge gefertigt hatte. Samuel hatte das gleiche Schicksal, als er am nächsten Tag in den Wald ging. Schließlich machte sich der dumme Hans am dritten Tag auf den Weg. Er arbeitete mit Eifer und pfiff fröhlich dazu. Mittags kam das eisgraue Männlein und fragte, was er mache. "Einen Nachen, der auf dem trockenen Land besser geht als im Wasser," antwortete Hans. "Wenn ich damit fertig bin, darf ich die Königstochter heiraten." "Nun," sagte das Männlein, "dann soll's einer werden und bleiben."
Am Abend, als die Sonne golden unterging, hatte Hans seinen Nachen fertiggestellt. Er setzte sich hinein und ruderte zur Residenz des Königs. Der Nachen fuhr so schnell wie der Wind. Der König sah es von weitem, wollte Hans jedoch seine Tochter noch nicht geben und stellte die Bedingung, dass er erst hundert Hasen hüten müsse – vom frühen Morgen bis zum späten Abend – und wenn ihm auch nur einer davonlief, würde er die Tochter nicht bekommen. Hans war damit einverstanden und ging am nächsten Tag mit seiner Herde auf die Weide, um gut auf die Hasen aufzupassen.
Bald kam eine Magd vom Schloss und bat Hans um einen Hasen, da sie plötzlich Besuch bekommen hatten. Hans erkannte, was sie vorhatte, und weigerte sich, einen Hasen zu geben. Der König könne dann am nächsten Tag seinen Besuch mit Hasenpfeffer bewirten. Die Magd gab sich jedoch nicht zufrieden und begann zu schimpfen. Schließlich sagte Hans, wenn die Königstochter selbst komme, würde er ihr einen Hasen geben. Die Magd berichtete dies, und die Königstochter kam persönlich.
Inzwischen erschien das eisgraue Männlein erneut und fragte Hans, was er tue. "Ich muss hundert Hasen hüten, damit mir keiner davonläuft, dann darf ich die Königstochter heiraten und werde König." "Gut," sagte das Männlein, "hier hast du eine Pfeife. Wenn dir einer davonläuft, pfeife einfach, dann kommt er zurück." Als die Königstochter kam, gab Hans ihr einen Hasen in die Schürze. Doch kaum war sie hundert Schritte entfernt, pfiff Hans, und der Hase sprang ihr aus der Schürze und kehrte zur Herde zurück.
Am Abend pfiff Hans erneut und zählte die Hasen, um sicherzustellen, dass alle da waren, und trieb sie dann zum Schloss. Der König war sehr erstaunt, dass Hans in der Lage war, hundert Hasen zu hüten, ohne dass einer davonlief. Dennoch wollte er ihm die Tochter nicht geben und stellte die Bedingung, dass Hans ihm eine Feder aus dem Schwanz des Vogel Greif bringen müsse.
Hans machte sich auf den Weg und marschierte entschlossen voran. Am Abend kam er zu einem Schloss, wo er um ein Nachtlager bat, denn damals gab es noch keine Wirtshäuser. Der Herr des Schlosses freute sich und fragte, wohin er wollte. Hans antwortete: "Zum Vogel Greif." "So, zum Vogel Greif? Man sagt, der wisse alles. Ich habe den Schlüssel zur eisernen Geldkiste verloren. Könntest du ihn nicht fragen, wo er ist?" "Ja, das will ich tun," versprach Hans.
Am nächsten Morgen setzte er seine Reise fort und kam zu einem weiteren Schloss, wo er wieder über Nacht blieb. Dort erfuhr er, dass die Tochter des Hauses krank war und man bereits alle Mittel versucht hatte, um sie zu heilen. Auch hier sollte Hans den Vogel Greif fragen, was das Mädchen gesund machen könne. Hans versprach, dies zu tun, und setzte seinen Weg fort.
Bald kam er zu einem Wasser, wo ein großer Mann die Leute hinübertragen musste. Der Mann fragte Hans, wohin seine Reise gehe. "Zum Vogel Greif," antwortete Hans. "Wenn du zu ihm kommst, frage ihn auch, warum ich alle Leute über das Wasser tragen muss." "Ja, das will ich tun," versprach Hans. Der Mann trug ihn über das Wasser.
Schließlich erreichte Hans das Haus des Vogel Greif, doch nur seine Frau war zu Hause. Sie fragte ihn, was er wolle. Hans erzählte ihr alles: dass er eine Feder aus dem Schwanz des Vogel Greif holen sollte, dass man in einem Schloss den Schlüssel zur Geldkiste verloren hatte und dass er wissen wollte, was die Tochter gesund machte. Auch wollte er wissen, warum der Mann am Wasser alle Leute hinübertragen musste. Die Frau erklärte: "Kein Christ kann mit dem Vogel Greif reden, er frisst sie alle. Wenn du willst, kannst du dich unter sein Bett legen, und wenn er schläft, kannst du ihm eine Feder aus dem Schwanz reißen. Ich werde ihn dann selbst fragen."
Hans war einverstanden und legte sich unter das Bett. In der Nacht kam der Vogel Greif heim. Als er in die Stube trat, sagte er: "Frau, ich rieche einen Christen! Hier schmeckt's nach Mensch!" "Ja," antwortete die Frau, "heute war einer hier, aber er ist wieder fort." Der Vogel Greif schwieg daraufhin.
Mitten in der Nacht, als der Vogel Greif schnarchte, griff Hans nach oben und riss ihm eine Feder aus dem Schwanz. Der Vogel Greif fuhr plötzlich hoch und rief: "Frau, ich rieche einen Menschen, und es ist mir, als hätte mich jemand am Schwanz gezerrt!" Die Frau beruhigte ihn: "Du hast sicher geträumt. Ich habe dir ja schon gesagt, dass heute ein Mensch hier war, aber er ist wieder fort. Er hat mir erzählt, dass man in einem Schloss den Schlüssel zur Geldkiste verloren hat." "Oh, die Narren," sagte der Vogel Greif, "der Schlüssel liegt im Holzhaus hinter der Tür unter einem Holzstoß." "Er hat auch gesagt, dass in einem Schloss eine Tochter krank ist und man kein Mittel hat, um sie gesund zu machen." "Oh, die Narren," wiederholte der Vogel Greif, "unter der Kellerstiege hat eine Kröte ein Nest aus ihren Haaren gemacht. Wenn sie die Haare zurückbekommt, wird sie gesund." "Und er hat auch gesagt, dass es an einem Ort ein Wasser gibt und ein Mann, der alle Leute hinübertragen muss." "Oh, der Narr," sagte der Vogel Greif, "täte er nur einmal einen mitten reinstellen, müsste er keinen mehr hinübertragen."
Am nächsten Morgen stand der Vogel Greif auf und ging fort. Hans kam unter dem Bett hervor und hatte eine schöne Feder. Er hatte auch gehört, was der Vogel Greif über den Schlüssel, die Tochter und den Mann gesagt hatte. Die Frau des Vogel Greif wiederholte alles für ihn, damit er nichts vergaß, und dann machte er sich auf den Rückweg.
Zuerst kam er zu dem Mann am Wasser, der ihn gleich fragte, was der Vogel Greif gesagt habe. Hans antwortete, er solle ihn erst hinübertragen, dann wolle er es ihm am anderen Ufer sagen. Der Mann trug ihn hinüber. Als sie drüben waren, sagte Hans, er solle nur einmal einen mitten in den Fluss stellen, dann müsste er keinen mehr hinübertragen. Der Mann freute sich sehr und bot an, Hans zum Dank noch einmal hin- und zurückzutragen. Hans lehnte ab und ging weiter.
Er kam zu dem Schloss, wo die Tochter krank war. Er nahm sie auf die Schultern, da sie nicht laufen konnte, trug sie die Kellerstiege hinab und nahm das Krötennest unter der untersten Stufe heraus, um es der Tochter in die Hände zu geben. Plötzlich sprang sie von seinen Schultern, lief die Stiege hinauf und war wieder ganz gesund. Die Eltern waren überglücklich und schenkten Hans Gold und Silber sowie alles, was er sich wünschte.
Als Hans schließlich zu dem anderen Schloss kam, ging er ins Holzhaus und fand tatsächlich hinter der Tür unter einem Holzstoß den Schlüssel. Er brachte ihn dem Herrn, der sich sehr freute und Hans zur Belohnung viel Gold aus der Kiste gab sowie allerlei Dinge, wie Kühe, Schafe und Geißen.
Als Hans mit all seinen Schätzen zum König kam, fragte dieser, woher er all das habe. Hans antwortete, der Vogel Greif gebe einem, so viel man wolle. Der König dachte, das könnte er auch gebrauchen, und machte sich auf den Weg zum Vogel Greif. Als er zum Wasser kam, war er der erste, der nach Hans kam, und der Mann stellte ihn mitten im Wasser ab und ging fort. Der König ertrank, während Hans die Tochter heiratete und König wurde.





